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BERLIN/LÜBECK/HAMBURG 1991



Christl hat mich davon abgebracht, mit dem Auto diese Deutschlandreise zu machen. Stattdessen fahren wir mit dem Nachtzug. Abfahrt ist um 20 Uhr, am Freitag, den 18.Oktober.

Bis nach Passau benutzen wir das "Duett-Ticket" um 690.-- S für zwei Personen hin und zurück. Von dort geht es weiter mit dem "Euro-Domino-Ticket-Deutschland", das pro Person 1846,-- kostet und für fünf Tage innerhalb eines Monats freie Fahrt auf allen Bahnstrecken, einschließlich S-Bahn, bietet. Dazu kommt noch der Preis für den Liegewagen 240,--pro Person und Nacht. Der Waggon ist eher spartanisch eingerichtet (Deutsche Reichsbahn - also ein DDR-Erbstück).Trotzdem kann man ganz gut schlafen. Ich wache zwar in der Nacht durch starkes Rumpeln kurz auf, der begleitende Braunkohlegeruch sagt mir, daß wir nun wahrscheinlich durch das ehemalige Arbeiter- und Bauernparadies fahren.

Um 8.45. Uhr in Berlin angekommen fahren wir mit der S-Bahn gleich weiter bis Alexanderplatz ("Alex" sagen die Einheimischen). Dort soll sich nach Auskunft einer Mitreisenden eine Zimmervermittlung befinden. Das stimmt zwar, entpuppt sich aber als großer Reinfall. Für die 10 Sekunden Auskunft nimmt man uns gleich mal 5-Mark ab. Der Taxifahrer kennt das Hotel und auch die Straße nicht - er kommt nämlich aus dem Westteil der Stadt.

Siehe Kasten Hotel Odyssee.

Nachdem wir unser Gepäck abgestellt haben beginnen wir gleich mit der Stadtbesichtigung des östlichen Stadtkerns. Ein ganztägiger Rundgang führt uns an fast allen Prunk- und Protzbauten der vergangenen Regime vorbei. Jede Zeit hat seine Tempel: Das Dritte Reich genauso wie die Deutsche Demokratische Republik, auch der goldene Westen hat schon einen riesigen Konsumtempel hier: Das Kaufhof-Kaufhaus am Alex.

Nach Besichtigung der beiden wichtigsten und ineinander übergehenden Plätze der ehemaligen DDR (Alexanderplatz mit Fernsehturm und Kongreßhalle, sowie dem Marx-Engelsplatz mit dem roten Rathaus, der Marienkirche und dem Dom), spazieren wir entlang der Straße "unter den Linden" (ehemalige Prachtstraße mit vielen Protzbauten) zum Brandenburger Tor. Wir wandeln durchs Tor hindurch in den ehemaligen "goldenen Westen". Von dort spazierren wir zum Kurfürstendamm und gelangen so zur Kaiser-Wilhelm-Gedöchtniskirche und zum berühmt-berüchtigten Bahnhof Zoo. Im nahe gelegenen Zoo besichtigen wir das wirklich sehenswerrte Aquarium (riesige Fische).

Bemerkenswert ist, daß die Zonengrenze so gut wie verschwunden ist. Von der Mauer sind nur mehr wenige Reste vor den Souvenirjägern verschont geblieben. Beispielsweise am Brandenburger Tor sieht man überhaupt keinen Mauerrest mehr. Wenn man nicht wüßte, daß hier die Zonengrenze war, würde man unmittelbar an der ehemaligen Grenze keinen Unterschied bemerken.
Hotel-Odyssee

Das Hotel im ehemaligen Ost-Deutschland ist fast so schrecklich, wie es aussieht. Zwar sauber, aber das ist auch schon alles. Das Haus ähnelt einem Mietshaus, die Zimmer befinden sich auf mehrere Etagen verteilt. Die Zimmerwirtin hat es vorgezogen gleich nach dem Telefonat der Zimmervermittlung für mehrere Stunden zu verschwinden und uns dem rumänischen Zimmermädchen, das nur drei Worte deutsch spricht auszuliefern. Sie kann uns nicht einmal erklären, wie das Telefon funktioniert, damit wir erneut in der Zimmervermittlung anrufen können. Wir haben Glück, nach einer Viertelstunde erscheint eine deutsch-sprechende Mitarbeiterin, die uns nach einigen Protesten das Zimmer zeigt. Es gibt zwar, wie bestellt eine Dusche (genauer eine Duschkabine), aber kein WC im Zimmer. Wir bleiben vorerst, weil wir die Stadt und nicht die Zimmervermittlungen sehen wollen. Das erweist sich als Fehler.

Die Duschkabine beginnt in der Nacht mehrmals grundlos zu rumoren. Zum Ausgleich muß man eine Stunde vor dem Duschen das Warmwasser einschalten, was bewirkt, daß alle zwei Minuten das Wasser leicht zu rinnen beginnt. Wenn man dann geduldig gewartet hat, kann man mit der vorgegebenen Wasserwärme duschen - eine Regulierung gibt es nicht.

Angesichts des durchaus westlichen Preises ( 120 DM pro Nacht und Zimmer) entschließen wir uns am nächsten Tag dann doch in den Westen zu übersiedeln und den Versuch der "Wirtschaftshilfe" für den Ostteil der Stadt aufzugeben. Telefonisch (Vorwahl 8 für Ostberlin, Vorwahl 8894 für Westberlin) finden wir ein "Gästehaus" - so heißen hier die Pensionen - mit ordentlichem Bad und WC, zwar kein Luxushotel aber zentral im Westteil gelegen um 100 DM. Übrigens für Berlinreisende zu empfehlen: Am Bahnhof Zoo gibt es neben einer persönlich betreuten Zimmervermittlung auch eine Leuchttafel mit Lageplan der Hotels, mit Preisangabe und mit einem Hinweis (Hotelname leuchtet grün oder rot), ob Zimmer frei sind. Also alles was man braucht auf einen Blick. Ein Telefonapparat ist gleich dabei, sodaß man beim Telefonieren den Hotelnamen ablesen kann.


Auffällig ist, daß überall in Berlin sich Flohmärkte etablert haben - nicht nur mit Uniformkappen. Ganz Berlin ist ein einziger großer Mexikoplatz! Zur "Verschönerung" des Stadtbildes tragen auch die Sprayer bei: Alles ist verschmiert - Die Häuser, die U-Bahnstationen, selbst nagelneue U-Bahnzüge außen und innen. Bisher habe ich es immer als unnötigen Luxus empfunden, daß die Wiener Verkehrsbetriebe alle ihre Straßenbahnen, Busse und U-Bahnzüge in Remisen verstecken. Auch sonst bin ich vom öffentlichen Verkehr in Wien mehr und mehr begeistert - in Berlin kostet eine Tageskarte 12,-- DM, ein Einzel-Fahrschein.3,-- DM. Nur die Ossis zahlen weniger (ca die Hälfte). Das ist aber nur scheinbar großzügig, denn früher hat eine Fahrt im Osten 0,2 M gekostet, was selbst nach ungünstigster Umrechnung vergleichsweise preisgünstig war.

Andrerseits haben die Berliner große Verkehrsprobleme zu bewältigen. Einige Verbindungen - so die wichtige S-Bahn über Friedrichstraße(früher Grenzstation) funktionieren wieder klaglos. Andere (z. B. S1) müssen erst miteinander baulich verbunden werden. Die Aufschriften in den Stationen weisen derzeit schon auf Ziele hin, die man erst nach Fertigstellung der Bauarbeiten erreichen kann. Also etwas verwirrend!

Nicht nur der Verkehr macht den Berlinern zu schaffen. Vor allem die Lebensumstände der Bevölkerung der ehemaligen Ostzone sind immer noch schlimm. Die Kriminalität steigt, was wieder meine Vermutung bestärkt, daß die Korrelation zwischen großen sozialen Unterschieden und der Kriminalität sehr groß sein dürfte. Ob der hungernde Pole, Tscheche oder Deutscher ist dürfte dabei von untergeordneter Bedeutung sein: Wer angesichts der vollen Schüssel des Nachbarn hungert neigt eben dazu sich das zu nehmen,, was er braucht.

Am Abend finden wir in der Nähe unserer zwar zentral, aber im Osten gelegenen Unterkunft kaum eine brauchbare Gaststätte - offenscihtlich fehlt hier die (wie man so schön sagt: "kaufkräftige" ) Nachfrage .Für uns verwöhnte Konsummarionetten allerdings ein weiterer Grund in den Westen zu übersiedeln.

Der nächste Tag bringt Sonnenschein und wir fahren zuerst nach Charlottenburg. Der Bus von der S-Bahnstation dorthin fährt nur alle 1/2 Stunden, sodaß wir uns entschließen zu Fuß zu gehen. Wieder denke ich wehmütig an unsere so viel gelästerten Wr. Verkehrsbetriebe, wo solche Intervalle nur in zeitllichen oder örtlichen Randzonen vorkommen. Als Wiener (Schönbrunn,Belvedere) ist man enttäuscht über das Schloß Charlottenburg.(Frei nach Qualtinger:"Was brauch i dös..."). Die kitschigen Farben in den Sälen erinnern mich etwas an die bayrischen Schlösser Ludwigs.

Von dort gehts weiter - mit einem anderen Bus, der öfter fährt - nach Spandau. Zuerst in die saubere Altstadt, dann zur Zitadelle.

Von dort fahren wir nach Frohnau, weil es dort einen budhistischen Tempel geben soll. Der Tempel entpuppt sich als ein besseres Wohnhaus auf einem Hügel in dem budhistische Andachten für en paar übrig gebliebene 68-er abgehalten werden.

Das Abendprogramm ist Nähe Kurfürstendamm, wo wir jetzt wohnen, weitaus interessanter: Abendessen in einer portugiesischen Studentenkneipe, anschließend Disco...

Bei strahlend schönem, aber schon sehr kaltem Wetter machen wir am nächsten Tag einen Ausflug zum Wannsee, anschließend zur Glieckener Brücke - ehemalige Zonengrenze. Es fällt auf, daß im ehemaligen Westberlin große Grünflächen zur Verfügung gestanden haben - was sicher auch notwendig war, wenn man bedenkt, wie umständlich die Grenzkontrollen gewesen sind.

Auf einer Bootsfahrt auf Spree und Spreekanal lernen wir Berlin von der Wasserseite her kennen. Ein Besuch im Pergamon-Museum (Besichtigung des Pergamon-Tempels, des Marttores von Millet, sowie der Prozessionsstraße und dem Ischtator aus Babylon) beschließt diesen Tag.

Der letzte Vormittag in Berlin ist dem Einkaufsbummel gewidmet. Am Nachmittag geht es weiter nach Hamburg, wo uns Christls Schwester erwartet. Daher keine Quartierprobleme, aber auch weniger Besichtigungen. Unser Pivot (der Punkt, um den sich alles dreht) heißt Jannis und ist 9 Monate alt.

Lübeck
Für einen Tag entfliehen wir den familiären Pflichten, lokalen Spaziergängen mit Kinderwagen, Brei im Glas etc. und fahren nach Lübeck. Hier gibt es eine wirklich reizende Altstadt. Einen wunderschönen Überblick haben wir vom Turm der Petrikirche. Sehr sehenswert der Marktplatz und das Rathaus, sowie einige hübsche Häuserzeilen und Kirchen.

Hamburg
Am letzten Tag ein kurzer Bummel durch Hamburg, das wir beide schon von früher kennen.

Spaziergang von den Landungdbrücken - diesmal keine Hafenrundfahrt - zum Michel, der halb eingerüstet ist und auch wegen Renovierung nicht bestiegen werdenb kann.(Das Wetter wäre für eine Rundsicht ideal gewesen).

Ein Bummel über die Reeperbahn, wo um diese Zeit (mittags) eigentlich nichts los ist. In der Herbertstraße sitzen zwar erwartungsgemäß einige Mädchen in den Auslagen, doch sonst sieht man mehr Putzfrauen, die die Lokoale für abends sauber machen.

Ein Bummel durch die Mönckebergstraße zum Rathaus und ein Spaziergang zur Speicherstadt (Lagerhäuser an den Elbekanälen) sind der Abschluß unseres nur einwöchigen Urlaubs.

Ein österreichischer - voll klimatisierter - Liegewagen bringt uns wieder zurück nach Wien.

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